Woher stammt der Name "Averfehrden"?
Glandorf. Ortsnamen erzählen Geschichte. Die in ihnen enthaltenen Bezeichnungen geben uns Auskunft über die Beschaffenheit der Landschaft unserer Heimat zum Zeitpunkt der Namengebung, verweisen auf menschliches Siedeln, Kultivieren und Wirtschaften und verraten uns etwas über die verkehrsgeografischen oder sozialen und rechtlichen Gegebenheiten vergangener Zeiten.
Weil die Wörter, mit denen die Ortsnamen gebildet wurden, häufig einer wesentlich älteren Sprachstufe angehören und uns heute fremd erscheinen, ist die Deutung von Ortsnamen nicht immer einfach. Hinzu kommt, dass sich Namen im Laufe der Zeit durch sprachliche Prozesse wandeln können und somit ihre ursprüngliche Bedeutung in ihrer heutigen Form nicht mehr erkennbar ist. Deshalb ist die Suche nach den ältesten Belegen eines Ortsnamens unabdingbare Voraussetzung, wenn man seiner Bedeutung auf die Spur kommen möchte.
Welche ursprüngliche Bedeutung verbirgt sich aber hinter dem Ortsnamen Averfehrden bei Glandorf ? Die ältesten Belege des Namens reichen ins 16. Jahrhundert zurück. „Auervierde“ (1565), „Auervehrden“ (nach 1605), „Auerue(h)rder“ Bauerschaft (1601/1634), „Auerferde“ (1651), „Averfehrde“ (1723), „Averfehrden“ (1772), „Aververden“ (1772), „Averfehrte“ (1788, 1808), „Averfehrdten“ (1811) und „Averfehrden“ (1821, der Buchstabe „u“ repräsentiert in den älteren Belegen den Lautwert von „v“).
Die mit diesem Namen bezeichnete Siedlung (Bauerschaft) hieß vor dem 16. Jahrhundert allerdings „Nordendorp“: „to den Nordendorpe in parr.[ochia] Glandorpe“ (1402), „Nordendorp“ (1512), „Narendörfer“ (1751). Der Name „Nordendorp“ enthält im Grundwort altsächsisch „thorp“, mittelniederdeutsch „dorp“ in der Bedeutung „Siedlung, Wohnstätte, Dorf“. Das Wort „Dorf“ kann dabei Siedlungsplätze vom Einzelhof bis zur größeren Gruppensiedlung bezeichnen.
Im Norden gelegen
Das Bestimmungswort des Namens ist mittelniederdeutsch „norden“ in der Bedeutung „nördlich, nach Norden hin gelegen“. Wie die Namen der Glandorfer Bauerschaften Sudendorf (die nach Süden hin gelegenen Siedlung) und Westendorf (die nach Westen gelegene Siedlung) zeigen, ist der geografische Bezugspunkt für die Motivierung des orientierten Siedlungsnamens „Nordendorp“ ebenfalls der Kirchort Glandorf.
Warum der Name der Bauerschaft später wechselt, ist bisher ungeklärt. Auch der Name „Averfehrden“ ist ein orientierter Siedlungsname, der ebenfalls die Glandorfer Kirche als geografischen Bezugspunkt hat. Sein Bestimmungswort ist mittelniederdeutsch „over“ - über, jenseits. Die Schreibung von „a“ für „o“, wie sie sich hier im Wechsel zwischen „aver“ und „over“ darstellt, ist ein im Niederdeutschen vom Nordniedersächsischen ausgehendes Phänomen des 15. Jahrhunderts. Es handelt sich um die Zerdehnung von kurzem „o“ zu langem „a“ in offener Tonsilbe. Jedoch konnte sich diese Entwicklung in den westfälischen Dialekten nicht völlig durchsetzen, weshalb „over“ und „aver“ nebeneinander vorkommen (vgl. z.B. Averesch und Overbeck).
Das Grundwort des Siedlungsnamens ist das gleiche Wort wie im Namen „Verden“ (an der Aller). Der Ort wird 810 „Verdi“, 932 als „Ferdiun“ erwähnt und bedeutet „bei den Leuten an der Überfahrtsstelle [über die Aller]“, zum altsächsischen Substantiv „fard“, Dativ „ferdi“ - Weg, Übergangsstelle“, das vom altsächsischen Verb „faran“ - gehen, fahren - abgeleitet ist. Der Name „Averfehrden“ bedeutet also „Siedlung jenseits [von Glandorf aus gesehen] des Weges oder der Übergangsstelle“.
Der 1981 in Georgsmarienhütte geborene Christof Spannhoff ist Mitarbeiter im Historischen Seminar, Abteilung für westfälische Landesgeschichte, der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung vom 09.06.2011